Der Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz für Kleinkinder gilt seit August 2013. Doch was, wenn Kinder trotzdem keinen Kita-Platz bekommen? Drei Kläger haben nun erfolgreich die Stadt Leipzig auf Schadenersatz verklagt. Ein Urteil mit bundesweiter Signalwirkung?
Was da diese Woche in Leipzig entschieden wurde, könnte bundesweite Auswirkungen haben. Drei Elternpaare hatten die Stadt auf Schadenersatz verklagt, da sie keine gesetzlich garantierten Kita-Plätze für ihre Kinder zur Verfügung gestellt hat. Das Landgericht Leipzig hat ihnen Recht gegeben. Die Stadt muss nun für den Verdienstausfall aufkommen, da die Mütter länger zu Hause bleiben mussten und ihrer Arbeit nicht nachgehen konnten. Die Kommune soll nun insgesamt mehr als 15.000 Euro zahlen plus Zinsen. Das Urteil ist allerdings noch nicht rechtskräftig, die Stadt kann Berufung einlegen (Az.: 7 O 1455/14, 7 O 1928/14, 7 O 2439/14).
Eine Signalwirkung habe dieses Urteil schon, auch wenn es im Grunde nichts neues sagt, so die Einschätzung von Professor Ronald Richter, Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Sozialrecht im Deutschen Anwaltverein (DAV). „Dennoch gehe ich nicht davon aus, dass es zu einer Klagewelle kommen wird“, so Richter.
Aus seiner Erfahrung täten Kommunen eine Menge, um die Betreuung der Kinder und drei Jahren zu gewährleisten, teilweise auch durch Trickserei: „Da wird dann etwa ein Containerdorf aufgebaut, um die Kinder dort so lange zu betreuen, ehe die Kitas fertig gebaut sind.“
Doch will Anwalt Richter den Kommunen keinesfalls die Schuld in die Schuhe schieben. Als das Gesetz 2008 beschlossen worden sei, ging man noch davon aus, dass etwa 35 Prozent aller Berechtigter einen Kita-Platz überhaupt in Anspruch nehmen würden. Inzwischen aber gebe es Gebiete in Deutschland, wo die 80 Prozent sogar überschritten werden würden. Dies zeige laut Richter auch eine rasante gesellschaftliche Entwicklung: „Offenbar wird jede Hand im Arbeitsleben gebraucht.“
Dass eine Welle bisher ausgeblieben ist, hängt auch damit zusammen, dass sich viele Eltern unsicher sind, ob sie ihren Anspruch auch schnell genug durchsetzen können. Und es handele sich auch immer um eine Kostenabwägung: Wenn Eltern einen Rechtsstreit verlieren, müssten sie gegebenenfalls auch für die gegnerischen Anwaltskosten aufkommen. „Diesbezüglich könnte eine Signalwirkung vom Leipziger Urteil ausgehen, da es aus Elternsicht ein erfolgreichen Ausgang fand“, sagt Rechtsanwalt Ronald Richter. Dennoch warnt er: Jeder Fall müsse individuell beurteilt werden.
Die Leipziger Richter entschieden auch gegen die Stadt, da sie anscheinend zu keinem Zeitpunkt den klagenden Elternpaaren einen Kita-Platz in Aussicht gestellt habe. „Meist geschieht das aber und so könnte auch die Entscheidung anders ausfallen“, so Richter.
Erfolgsversprechender sind hier Verhandlungen direkt mit der Kommune. „Denn häufig gibt es andere Betreuungsmöglichkeiten als die klassische Kita“, sagt Eva Becker, Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Familienrecht im DAV. Eltern sollten sich deshalb gut überlegen, ob sie beispielsweise einen angebotenen Platz bei einer Tagesmutter mit der Begründung ausschlagen, ihr Kind solle lieber in eine Kita gehen. Ob sie überhaupt ein Wahlrecht zwischen Kita und Tagesmutter haben, ist juristisch ohnehin umstritten. „Letztlich geht es ja darum, dass mein Kind betreut wird“, so Becker.
Wollen Eltern dennoch den Klageweg einschlagen, müssen sie in einem Antrag auf jeden Fall darlegen, warum sie Anspruch auf einen Betreuungsplatz haben. Das kann zum Beispiel ihre Berufstätigkeit – wie im Leipziger Fall – sein oder dass sie nachweislich zu einem bestimmten Datum wieder in ihren Job zurückkehren müssen. Belegen lässt sich das anhand des Arbeitsvertrags.
Dann liegt der Ball bei der Kommune: Sie muss sich darum bemühen, den Rechtsanspruch zu erfüllen und einen Platz zu suchen. In unmittelbarer Wohnortnähe muss der angebotene Platz zudem auch nicht sein.
Laut Daten des Statistischen Bundesamtes gab es zum 1. März 2014 für knapp 662 000 Kinder unter drei Jahren einen staatlich geförderten Betreuungsplatz – entweder in einer Kita oder bei einer Tagesmutter. Dies entspricht einer Betreuungsquote von 32,5 Prozent. 2013 lag diese Quote noch bei 29,3 Prozent. Nach einer jüngsten Befragung wünschen sich allerdings 41,7 Prozent der Eltern ein Betreuungsangebot.
Mehr zum Thema: Ronald Richter auf InfoRadio des rbb – http://www.inforadio.de/programm/schema/sendungen/int/201502/03/216174.html